Artikel-Informationen
erstellt am:
10.10.2025
Die EU-Verordnung über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung (TTPW-VO) ist am 13.03.2024 in Kraft getreten und ab dem 10. Oktober 2025 EU-weit verbindlich anzuwenden. Die TTPW-VO ist unmittelbar geltendes Recht und muss nur insoweit mit nationalen Durchführungsbestimmungen umgesetzt werden, als bestimmte in der EU-Verordnung vorgesehene Zuständigkeiten und Befugnisse zugewiesen werden müssen. Die Verordnung ergänzt den Digital Service Act (VO-EU 2022/2065) und die Datenschutz-Grundverordnung (VO-EU 2016/679).
Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Zielsetzung der TTPW-VO und der daraus resultierenden Rechte für die Betroffenen und Pflichten für Internetplattformen, Parteien und andere Verantwortliche.
Zielsetzung der TTPW-VO
Mit der Verordnung zielt die EU darauf ab, den Prozess der demokratischen Meinungs- und Willensbildung von Bürgerinnen und Bürger vor Manipulation zu schützen. Ergänzend sollen die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundrechte und Grundfreiheiten geschützt werden, insbesondere das Recht auf Privatsphäre und das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.
Durch das Gesetz soll sowohl die freie Meinungsbildung des Einzelnen und als auch ein offener Austausch der Positionen im Prozess der politischen Willensbildung gefördert werden, um freie und unbeeinflusste Wahlen sicherzustellen. Dies ist nur möglich ist, wenn Informationen transparent und ungefiltert sind und nicht manipulativ eingesetzt werden.
Profiling und Targeting
Durch die Vielzahl gesammelter Daten zu Internetnutzenden ist es der digitalen Werbewirtschaft möglich,, umfangreiche Profile zu erstellen, die Rückschlüsse auf zahlreiche Persönlichkeitsmerkmale ermöglichen.
Diese Profile können nicht nur für passgenaue Werbung genutzt werden, sondern auch im Kontext von Wahlwerbung. Politische Werbung kann damit zielgerichtet auf einzelne Wählergruppen zugeschnitten werden. Diese Gruppen erhalten dann beispielsweise Werbung, die bestimmte Informationen besonders betont, sprachlich angepasst und besonders auf die Interessen und Lebensumstände der Wählergruppe zugeschnitten ist. Abweichende oder konträre Aspekte zu dem Thema werden wiederum nicht oder weniger intensiv behandelt.
Dieses als „Targeting“ bekannte Vorgehen ermöglicht aufgrund der umfangreichen Profile zu zahlreichen Internetnutzerinnen und -nutzern eine sehr individuelle werbliche Ansprache der jeweiligen Zielgruppe.
Gefahr der Manipulation
Dieses Targeting birgt die Gefahr einer Manipulation der Meinungsbildung und damit der Beeinflussung von Wahlentscheidungen. Denn eine Manipulation demokratischer Wahlen durch profilbasierte politische Werbung, ausgespielt mit den Mechanismen des Targetings, kann eine Gefährdung für die Demokratie insgesamt bedeuten. Wenn keine gemeinsame, faktenbasierte und unstrittige Informationsbasis mehr besteht und Meinungsvielfalt nicht mehr wahrgenommen wird, kann die politischen Meinungsbildung erheblich gestört werden.
Solche Mittel können und werden auch von Drittstaaten in großem Maßstab zur Beeinflussung von Wahlen genutzt und können daher eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Stabilität darstellen.
Daher darf drei Monate vor einer Wahl keine Wahlwerbung aus Drittländern an Wahlberechtigte ausgebracht werden.
Von einer unzulässigen Wahlbeeinflussung zu unterscheiden ist der normale Willensbildungsprozess, dass Parteien oder Wahlbewerberinnen und -bewerber über ihre politischen Standpunkte informieren und für eine Wahlentscheidung zu ihren Gunsten werben. Die Verordnung über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung („TTPW-VO“) soll einheitliche Vorschriften schaffen, um in der gesamten EU einheitliche Maßstäbe zur Transparenz politischer Werbung zu setzen und Regeln für das Targeting festzulegen.
Die Regeln des Digital Service Act (DSA; z. dt. Gesetz über Digitale Dienste) zur Werbung werden für Wahlwerbung nochmals verschärft. Der Digital Services Act zielt darauf ab, über klare und verhältnismäßige Vorschriften die Grundrechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern im Internet zu schützen. Die TTPW-VO stellt eine Fortführung des Digital Services Act im Hinblick auf Betroffenenrechte zu politischer Werbung auf Basis von Tracking und Profiling dar.
Einwilligungsvorbehalt
Zum Schutz der Bürger und Bürgerinnen ist nur erlaubt, personenbezogene Daten für politische Werbung zu nutzen, wenn die Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Verantwortlichen ausdrücklich ihre Einwilligung erklärt haben. Für das Targeting nach der TTPW-VO dürfen ausschließlich Daten aus der direkten Erhebung zu diesem Zweck verwendet werden und ausschließlich mit expliziter Einwilligung. Damit wird ausgeschlossen, dass Plattformen vorliegende Profil-Informationen verwenden, die beispielsweise aus Werbetracking stammen.
Grundsätzlich ausgeschlossen ist es, besonders sensible persönliche Daten zu benutzen wie die politische Meinung, die Religion, rassische oder ethnische Herkunft, sexuelle Orientierung oder Gesundheitsdaten. Auch dürfen personenbezogene Daten von Minderjährigen und insbesondere von Jungwählern, die das nationale Wahlalter in frühestens einem Jahr erreichen, nicht verwendet werden.
Transparenz politischer Werbung
Damit die Wählerinnen und Wähler ihre Meinung frei bilden können und vor Manipulationen geschützt werden, muss nach den Bestimmungen der TTPW-VO Wahlwerbung als solche gekennzeichnet werden. Es ist daher jeder Werbung eine sogenannte Transparenzmitteilung anzufügen, aus der hervorgeht, woher die genutzten Profildaten stammen. Diese Pflicht trifft die Herausgeber politischer Werbung. Herausgeber im Sinne der Verordnung ist jeder – auch ein Dienstleister –, der politische Werbung veröffentlicht, zustellt oder verbreitet. Weitere verpflichtende Informationen sollen helfen einzuschätzen, wer mit wieviel Geld die Wahlwerbung für welche Wahlen bezahlt und ob auch Gelder von außerhalb der EU fließen. Weiterhin muss unter anderem ausgewiesen werden, welche Zielgruppen durch die Werbung angesprochen werden sollen und auf welcher Grundlage diese Zielgruppen ausgewählt wurden, beispielsweise welche Techniken zur gezielten Werbung verwendet wurden. Hierbei sind auch Angaben zum Zeitraum und zur Personenanzahl zu machen.
Herausgeber politischer Werbung sollen Verfahren einrichten, damit ihnen unmittelbar von Betroffenen gemeldet werden kann, wenn eine politische Werbung nicht den Anforderungen entspricht. Dazu sollen die Verfahren möglichst über die Anzeige selbst erreichbar sein. Betroffene sollten dann unmittelbar die Beschwerde an den Herausgeber senden und Abhilfe einfordern.
Die Vorschriften beziehen sich auf in der Regel bezahlte Werbung politischer Akteure oder andere Kampagnen, die darauf ausgerichtet sind, das Ergebnis einer Wahl oder eines Referendums zu beeinflussen. Die Vorgaben gelten für EU-, Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen sowie Organe und Organwalter in Gebietskörperschaften. Wahlbezogene Inhalte, die in privater Verantwortung geäußert werden, fallen nicht in den Geltungsbereich der Verordnung.
Nicht von der TTPW-VO betroffen sind Mitteilungen von politischen Parteien, Stiftungen, Verbänden oder anderen gemeinnützigen Einrichtungen an ihre Mitglieder und ehemaligen Mitglieder. Ebenfalls fallen darunter nicht Newsletter und andere Mitteilungen, die mit ihrer politischen Tätigkeit in Verbindung stehen, sofern diese Mitteilungen ausschließlich auf Abonnementdaten beruhen und daher streng auf ihre Mitglieder, ehemalige Mitglieder oder Abonnementen beschränkt sind. Voraussetzung ist, dass diese sich auf die von den Betroffenen bereitgestellten personenbezogenen Daten stützen und keine Verarbeitung personenbezogener Daten für eine zielgenaue Auswahl oder für eine anderweitige nähere Eingrenzung der Empfänger und der von ihnen erhaltenen Nachrichten umfassen.
Durchsetzung und Sanktionen
Der europäische Verordnungsgeber hat verschiedene Akteure identifiziert und ihnen Pflichten auferlegt. Die Verordnung sieht etwa zur Kontrolle der Beteiligten vor, dass ein Europäisches Archiv für Online-Anzeigen für politische Wahlwerbung eingerichtet wird sowie ein Verzeichnis aller bevollmächtigen Vertreter und ein Portal für die Bekanntmachung aller Wahlen und Referenden in der europäischen Union. Nationale und Europäische Kontaktstellen sollen eine gute Kommunikation der beteiligten Stellen sicherstellen. Dort werden auch weitere Zuständigkeiten und Überwachungsaufgaben geregelt. Grundsätzlich hat der europäische Verordnungsgeber auch Bußgeldvorschriften bei Verstößen vorgesehen.
Deutsches Umsetzungsgesetz
Das deutsche nationale Umsetzungsgesetz – Politische Werbung Transparenz Gesetz (PWTG) – ist noch im Gesetzgebungsprozess. In diesem werden die Zuständigkeiten für die verschiedenen Aufgaben geregelt, die durch den EU- Verordnungsgeber den EU- Ländern zwar zugeschrieben wurden, aber deren Umsetzung noch konkrete Aufgabenzuweisungen erfordern.
Zum Stand des Gesetzgebungsverfahrens finden sich hier jeweils die aktuellen Informationen:
https://bmds.bund.de/service/gesetzgebungsverfahren/politische-werbung-transparenz-gesetz-pwtg.
Rechte für Betroffene politischer Werbung
Die Landesdatenschutzbehörden sind zuständig für die Überwachung nach Artikel 18 (Targeting) und 19 (Transparenz) der TTPW-VO und schützen damit auch die Rechte der Bürgerinnen und Bürger, die sich auf der Grundlage der Artikel ergeben.
Danach können sich Betroffene beschweren, wenn Sie über das Internet politische Werbung erhalten, für deren Ausspielung unerlaubtes Targeting eingesetzt wurde.
Die Nutzung personenbezogener Daten bei politischer Werbung sind bei Targeting- und Anzeigenschaltungsverfahren ausschließlich erlaubt, wenn:
1. die Daten vom Verantwortlichen von der betroffenen Person erhoben wurden und
2. die betroffene Person ausdrücklich ihre Einwilligung zur gesonderten Verarbeitung der personenbezogenen Daten für die Zwecke der politischen Werbung gegeben hat.
In der TTPW-Verordnung ist bestimmt, dass eine Ablehnung einer Zustimmung auch für die Zukunft gilt und nicht immer wieder erneut nach einer Einwilligung gefragt werden darf.
Betroffene können sich zudem beschweren, wenn Profiling vorliegt und dafür besonders sensible personenbezogene Daten wie rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, genetische und biometrische Daten, Gesundheitsdaten oder Sexualleben oder sexuelle Orientierung verwendet wurden.
Ebenso können sich Betroffene beim Niedersächsischen Landesbeauftragten für den Datenschutz beschweren, wenn Plattformbetreiber die gemäß Artikel 19 TTPW-VO erforderlichen Transparenzerklärungen beim Ausspielen politischer Werbung nicht oder nicht vollständig beigefügt haben. Die umfangreichen Transparenzerklärungen müssen jeder Werbung leicht zugänglich und verständlich angefügt sein und müssen eine Anzahl vorgeschriebener Informationen enthalten, die in Artikel 19 TTPW-VO im Einzelnen aufgeführt sind.
Beschwerdemöglichkeiten
Vor einer Beschwerde beim Landesbeauftragten für den Datenschutz sollten die Betroffenen zunächst die in den Werbeanzeigen verpflichtend bereitzustellenden Widerrufsmöglichkeiten oder das verpflichtend vorgesehene Beschwerdeformular verwenden. Wenn erkennbar ist, welcher politische Akteur für die unzulässige Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten verantwortlich ist, können Betroffene eine Beschwerde an die zuständige Datenschutzbehörde des jeweiligen Landes senden, in dem der Akteur seinen Sitz hat.
Für die Bundesparteien ist dies in der Regel die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit:
https://www.datenschutz-berlin.de/
Bei niedersächsischen Parteien/Akteuren ist dies der Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen:
https://www.lfd.niedersachsen.de/
Das Beschwerdeformular des LfD Niedersachsen steht hier zur Verfügung: https://www.lfd.niedersachsen.de/beschwerde
Wollen sich Betroffene direkt gegen den Betreiber einer Plattform wenden, sollten sie den niedersächsischen Landesbeauftragten für den Datenschutz kontaktieren, der die Weiterleitung an die zuständige Behörde veranlassen wird.
Am 13. September 2026 finden in Niedersachsen mit den Kommunalwahlen die nächsten landesweiten Wahlen statt.
Weiterführende Informationen
VERORDNUNG (EU) 2024/900 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
vom 13. März 2024 über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L_202400900
Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2024/900 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. März 2024 über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung (Politische-Werbung-Transparenz-Gesetz (PWTG))
https://bmds.bund.de/service/gesetzgebungsverfahren/politische-werbung-transparenz-gesetz-pwtg
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erstellt am:
10.10.2025