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12.03.2007

Pressemitteilung

Die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche
braucht datenschutzgerechte Begleitung

- Ergebnisse der 73. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder -



Unter Vorsitz des Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz, Harald Stauch, tagte am 8. und 9. März 2007 die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder in der Thüringer Landeshauptstadt. Schwerpunkte der Sitzung waren u.a. Fragen der verfassungsrechtlichen Grenzen der Datenverarbeitung zu Zwecken der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr (Vorratsdatenspeicherung, Kernbereichsschutz, Online-Durchsuchung), der Bewertung neuer zentraler Datenbestände wie der JobCard (ELENA) sowie der datenschutzgerechten Gestaltung neuer Technologien mit Gefahren für das Persönlichkeitsrecht. Die umfangreiche Tagesordnung hat belegt, dass mit der Digitalisierung aller Lebensbereiche zunehmende Gefahren für das informationelle Selbstbestimmungsrecht verbunden sind, für die angemessene Lösungen entwickelt werden müssen.

Bereits mehrfach hat sich die Konferenz mit dem Vorhaben einer Pflicht zur Vorratsspeicherung aller Telekommunikationsverkehrsdaten befasst. Zur Umsetzung der EU-Richtlinie hat das Bundesministerium der Justiz einen Referentenentwurf vorgelegt, der die Speicherung aller Telefonverbindungsdaten ab dem 15.09.2007 und aller E-Mail- und Internet-Verkehrsdaten ab dem 15.03.2009 für 6 Monate für Zwecke der Strafverfolgung auf Vorrat vorsieht. Damit müssten die Diensteanbieter in gigantischen Datenspeichern das gesamte Telekommunikationsverhalten aller Bundesbürger erfassen, obwohl derartige Daten tatsächlich nur zu einem verschwindend kleinen Bruchteil zur Strafverfolgung benötigt würden. Die Konferenz hat in einer hierzu gefassten Entschließung erneut betont, dass die Vorratsdatenspeicherung deutschem Verfassungsrecht widersprechen würde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei die Speicherung von Daten auf Vorrat zu nicht hinreichend bestimmbaren Zwecken verfassungswidrig. Zudem würde die für eine freiheitliche Gesellschaft konstitutive unbefangene Kommunikation erheblich beeinträchtigt. Außerdem gingen einzelne Regelungsvorschläge in dem Entwurf über die europarechtliche Umsetzungsverpflichtung hinaus und wären ein zusätzlicher unverhältnismäßiger Eingriff in die Kommunikationsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger. Die Konferenz hat daher die Bundesregierung aufgefordert, die Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über deren Rechtmäßigkeit zurückzustellen. Der Referentenentwurf soll gleichzeitig die in den letzten Jahren ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Telekommunikationsüberwachung und anderen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen in der Strafprozessordnung umsetzen. Die Konferenz sieht noch erheblichen Verbesserungsbedarf insbesondere beim Schutz von Berufsgeheimnisträgern und dem Kernbereich privater Lebensgestaltung.

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach für heimliche Online-Durchsuchungen privater Computer keine Rechtsgrundlage im Bereich der Strafverfolgung existiert, werden derzeit vermehrt Forderungen nach einer solchen Rechtsgrundlage laut. So hat z.B. der Freistaat Thüringen einen Entschließungsantrag in den Bundesrat eingebracht, die Bundesregierung aufzufordern, eine solche Befugnisnorm in der Strafprozessordnung zu schaffen. In einer Entschließung haben sich die Datenschutzbeauftragten ausdrücklich gegen die Einführung entsprechender Eingriffsgrundlagen gewandt, weil bei derartigen Maßnahmen u.a. der Schutz des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensführung gefährdet wäre. Der Staat darf nicht jede neue technische Möglichkeit ungeachtet ihrer Eingriffstiefe zur Ausforschung einsetzen, auch wenn wichtige Belange betroffen sind. Es muss ein Raum der Privatsphäre bleiben, der nicht durch heimliche staatliche Überwachungsmaßnahmen ausgehöhlt werden darf.

Ein weiteres Thema der Konferenz waren die vielfältigen Bedrohungen von Persönlichkeitsrechten und Datenschutz im Arbeitsverhältnis. Anlässlich einer Initiative der EU-Minister für Beschäftigung und Soziales für GUTE ARBEIT fordert die Konferenz dazu auf, auch den Beschäftigtendatenschutz zu stärken. Angesichts stetig wachsender technischer Möglichkeiten muss klar geregelt werden, welche Daten Unternehmen über ihre Beschäftigten erheben dürfen, wie sie damit verfahren müssen und wozu sie die Daten nutzen dürfen. Deshalb hat die Konferenz in einer Entschließung Ihre seit langem erhobene Forderung nach Erlass eines Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes bekräftigt.

Die Pläne großer privater Fernsehveranstalter, ihre Programme nur noch verschlüsselt zu übertragen, waren ebenfalls Gegenstand der Beratungen. Nachdem vor allem durch zahlreiche staatliche Eingriffe die verfassungsrechtlich gebotene unbeobachtete Nutzung von Telekommunikation und Internet kaum noch möglich ist, steht nun auch der seit jeher selbstverständlich anonyme und nicht registrierte Empfang von Rundfunkprogrammen auf dem Spiel. Die bisher bekannt gewordenen Pläne der Unternehmen widersprechen dem im Rundfunkstaatsvertrag geregelten Gebot, die Inanspruchnahme von Rundfunk und deren Abrechnung anonym zu ermöglichen und verstoßen damit gegen das Prinzip der Datenvermeidung. In einer Entschließung haben die Datenschutzbeauftragten die Länder aufgefordert, die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Anforderungen des Rundfunkstaatsvertrages gegenüber den Veranstaltern durchzusetzen und eine anonyme Nutzung von Rundfunkprogrammen auch in Zukunft sicherzustellen. Gleichzeitig erinnerte die Konferenz an ihre Forderung, das grundgesetzlich geschützte Fernmeldegeheimnis zu einem allgemeinen Mediennutzungsgeheimnis weiterzuentwickeln.

Die Bundesregierung hat einen Referentenentwurf für ein Gesetz über die Einrichtung des Verfahrens des elektronischen Einkommensnachweises (ELENA) vorgelegt. Die bisher in Papierform ausgestellten Verdienstbescheinigungen der Arbeitgeber sollen künftig vollständig elektronisch in einem zentralen Register abgelegt werden. Die Konferenz hat in einer Entschließung angesichts bestehender Zweifel an der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit für die Einrichtung eines solchen Registers einen belastbaren Nachweis hierfür verlangt und zudem Klärungsbedarf zu einigen Punkten des vorgelegten Referentenentwurfs angemeldet.

Aus aktuellem Anlass hat sich die Konferenz mit der Forderung nach Einrichtung einer öffentlich zugänglichen Sexualstraftäterdatei mit Wohnsitzangaben befasst, bei der die Namen und Adressen von verurteilten Sexualstraftätern z.B. über das Internet veröffentlicht werden sollen. Die Konferenz betont in einer Entschließung, dass es sich dabei um eine Art elektronischen Pranger handeln würde, der eindeutig verfassungswidrig wäre. Die Betroffenen würden durch ihre öffentliche Bloßstellung sozial geächtet und eher zu einem erhöhten Gefahrenpotenzial werden. Daher forderte die Konferenz dazu auf, diesen Vorschlag nicht weiter zu verfolgen.

Den Wortlaut der fünf Entschließungen finden Sie auf unserer Homepage unter dem Pfad



www.lfd.niedersachsen.de => Allgemein => DSB-Konferenzen => Entschließungen



Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen
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